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Die BAG W unterzeichnet offenen Brief zur Neuen Wohngemeinnützigkeit

Verbände kritisieren Umsetzung der Wohngemeinnützigkeit als Nischenlösung und fordern großen Wurf zur Lösung der Wohnungskrise -
Ohne Investitionszuschüsse kein gemeinnütziger Wohnungssektor!

Mieter-, Wohlfahrts-, Verbraucher- und Umweltverbände sowie Gewerkschaften kritisieren die von der Bundesregierung geplante Wiederauflage der Wohngemeinnützigkeit als unzureichend. Anstatt wie im Koalitionsvertrag der Ampel-Koalitionäre vorgesehen, eine neue Dynamik für den Bau und die dauerhafte Sozialbindung bezahlbaren Wohnraums zu schaffen, betreffen die geplanten Änderungen lediglich wenige Akteure, die längst gemeinnützig sind.

Die geplanten Steuererleichterungen für bislang gewerbliche Unternehmen von ein- bis zweitausend Euro pro Wohnung und Jahr sind unzureichend und kaum attraktiv. Ohne die vorgesehenen Investitionszulagen wird es schwer, ein dauerhaft preisgebundenes Segment im überhitzen Mietwohnungsmarkt zu etablieren und langfristig bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Im Konzept der Bundesregierung fehlen zudem weitere Anreize, die die Weichen für eine Ausweitung des gemeinnützigen Wohnungsmarktsegments stellen, wie etwa die vergünstigte Bereitstellung öffentlicher Grundstücke für bezahlbare Wohnungsbauvorhaben. Der Bestand an Sozialwohnungen ist seit Jahren dramatisch rückläufig und hat sich seit 2007 innerhalb weniger Jahre von 2 Mio. Wohnungen auf nur noch 1,07 Mio. Sozialwohnungen halbiert. Ursache dafür ist, dass jedes Jahr zigtausende Wohnungen aus der Sozialbindung herausfallen – rund 40.000 Wohnungen pro Jahr bis 2035. Der Neubau von zuletzt 23.000 Sozialwohnungen reicht bei weitem nicht aus, um den Rückgang zu stoppen. Es braucht bis 2035 mehr als eine halbe Million neue Sozialwohnungen, nur um den aktuellen und viel zu geringen Bestand von rund 1 Mio. Sozialwohnungen konstant zu halten. Um dem überhitzen Wohnungsmarkt und den auslaufenden Sozialbindungen entgegenzuwirken, braucht es einen großen Wurf, der relevante Anteile des Wohnungsbestands in die dauerhafte Preisbindung überführt.

Die unterzeichnenden Verbände fordern daher Nachbesserungen im parlamentarischen Prozess und umfangreiche Änderungen an dem von der Bundesregierung verabschiedeten Konzept zur Wiederauflage der Wohngemeinnützigkeit. Dazu gehört insbesondere:

  • Ein umfassendes Konzept zur Wohngemeinnützigkeit muss neben der Einführung eines wohngemeinnützigen Zwecks in der Abgabenordnung (§ 52 AO) auch einen relevanten Anteil des Wohnungsmarktes für die dauerhafte Preisbindung gewinnen und damit für Wohnungsunternehmen aller Rechtsformen attraktiv sein.
  • Es müssen Anreize gesetzt werden für den gezielten Ankauf und die klimagerechte Modernisierung größerer und ggf. ehemaliger Sozialwohnungsbestände zur Überführung in die Gemeinnützigkeit und damit in dauerhaft gebundenen Wohnraum.
  • Für den Erfolg einer neuen Wohngemeinnützigkeit braucht es zwingend Investitionszuschüsse, umfangreiche Steuerbefreiungen und die vergünstigte Bereitstellung öffentlicher Grundstücke für Wohnungsbauvorhaben.
  • Der Bund muss in dieser Legislatur dafür mindestens 1 Mrd. Euro pro Jahr bereitstellten, das geplante Förderprogramm „Klimafreundlicher Neubau im Niedrigpreissegment“ (KNN) sollte in die neue Wohngemeinnützigkeit integriert werden.
  • Transparente Regelungen für Mieten im Bestand und im Neubau mit leistbaren einkommensabhängigen Miethöhen, welche dauerhaft mindestens 20 % unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete bleiben.

Hintergrund:

Das Bundeskabinett hat am 5.6.2024 die Wiedereinführung der Wohngemeinnützigkeit beschlossen. Im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2024 soll die „Förderung wohngemeinnütziger Zwecke“ als neuer gemeinnütziger Zweck in die Abgabenordnung aufgenommen werden. Die Bundesregierung möchte damit die Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag umsetzen, das Vorhaben soll bis Mitte Oktober 2024 vom Bundestag verabschiedet werden. Von der Regelung könnten laut Angaben des Bauministeriums zunächst etwa 100 Körperschaften, wie zum Beispiel Stiftungen, Vereine oder Unternehmen mit rund 105.000 Mieterinnen und Mietern profitieren. Eine Wohngemeinnützigkeit gab es in Deutschland letztmalig im Jahr 1990. Diese wurde durch das Steuerreformgesetz von 1990 abgeschafft. Durch die geplante Einführung eines wohngemeinnützigen Zwecks (§ 52 Abgabenordnung) entsteht die steuerrechtliche Möglichkeit für gemeinnützige Körperschaften, sich einfacher dem bezahlbaren und gemeinnützigen Wohnen widmen zu können. Allerdings kann dieser Zweck aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse allenfalls im Ausnahmefall genutzt werden. Gemeinnützige Körperschaften sind weder ertragsstarke noch eigenkapitalstarke Unternehmen und nicht des Erwerbs wegen tätig, sondern der Allgemeinheit verpflichtet. Sie erzielen daher keine privaten Gewinne. Insofern fehlt das Eigenkapital, um sich im kapitalintensiven Bereich des Bauens und Kaufens gemeinnützig engagieren zu können. Zudem muss ein Nachteilsausgleich für die Mindereinnahmen bei der Vermietung unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete zurückgehalten werden. Die geplanten Steuererleichterungen im Konzept der Bundesregierung von ein- bis zweitausend Euro pro Wohnung und Jahr sind unzureichend und bleiben für den Großteil der heute schon gemeinnützigen Körperschaften aufgrund bereits bestehender Steuerbefreiungen aus. Das Konzept ist daher kaum attraktiv, selbst für Organisationen, die bereits im gemeinnützigen Segment tätig sind.
Eine (kapital-) starke dritte Säule am Wohnungsmarkt muss verschiedene Akteure einbeziehen, wie zum Beispiel kommunale, kirchliche, genossenschaftliche und gewerbliche Wohnungsunternehmen mit Sozialbezug.
Durch attraktive Konditionen mit umfangreichen Steuerbefreiungen und Investitionszulagen muss analog zur „alten Wohngemeinnützigkeit“ die dauerhafte Sozialbindung und Bereitstellung bezahlbarer Mietwohnungen für niedrige bis mittlere Einkommen auf eine Verpflichtung der Unternehmen treffen, die mit Gewinnbeschränkungen, dauerhaften Mietpreis- und Belegungsbindungen, einer Zweckbindung des Vermögens und der Reinvestition von Gewinnen in den klimagerechten Neubau und die Modernisierung einhergeht.

Hier geht es zum offenen Brief.

Hier geht es zur dazugehörigen Pressemitteilung des Deutschen Mieterbunds, den die BAG W ebenfalls mitträgt.

Folgende Verbände haben die Forderungen unterzeichnet

  • Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband
  • Deutscher Mieterbund
  • Deutscher Gewerkschaftsbund
  • Arbeiterwohlfahrt e. V.
  • Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
  • Deutsche Umwelthilfe
  • Diakonie Deutschland - Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e. V.
  • Bundesverband Verbraucherzentrale