Wohnen ist Menschenrecht

BAG Wohnungslosenhilfe stellt aktuellen Jahresbericht zur Lebenslage wohnungsloser und von Wohnungslosigkeit bedrohter Menschen vor

Berlin, 29.08.2022: Heute stellt die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V. (BAG W), der Dachverband der Dienste und Einrichtungen der Wohnungsnotfallhilfen in Deutschland, ihren aktuellsten Jahresbericht zur Lebenslage wohnungsloser und von Wohnungslosigkeit bedrohter Menschen vor.

Jährlich werden seit 1990 für den Bericht Klient:innendaten aus freiverbandlichen Diensten und Einrichtungen der Hilfen in Wohnungsnotfällen im BAG W-eigenen Dokumentationssystem zur Wohnungslosigkeit (DzW) ausgewertet. Für das Berichtsjahr 2020 übermittelten 235 Mitgliedseinrichtungen mehr als 41.900 anonymisierte Falldaten. 73 % aller erfassten Hilfesuchenden sind akut wohnungslos.

Schwerpunkt Gesundheit: Das Leben auf der Straße macht krank

Im diesjährigen Schwerpunktteil werden die DzW-Variablen zur Gesundheit und medizinischen Versorgung genauer betrachtet: Der gesundheitliche Zustand vieler Menschen in Wohnungslosigkeit ist prekär und der Zugang zu medizinischer Versorgung für viele Menschen in Wohnungsnot oftmals erschwert. Das System der Wohnungsnotfallhilfe weist vielfach auch gesundheitlich vulnerable Klient:innen auf, deren Schutz und Versorgung gerade in einer Pandemie unbedingt zu gewährleisten ist.

„Unsere jährlichen Lebenslagenberichte sind wichtige Grundlage zur Weiterentwicklung der Wohnungsnotfallhilfen, zugleich verdeutlichen sie den Handlungsbedarf, den wir auf Seiten von Politik und Verwaltung sehen.“, erklärte Werena Rosenke, Geschäftsführerin der BAG W.

Jahresbericht zur Lebenslage von Menschen in Wohnungsnot untermauert BAG W-Kampagne WOHNUNG_LOS und ihre Forderungen

Im Zuge der laufenden BAG W-Kampagne WOHNUNG_LOS untermauern die Zahlen den dringlichen Aufruf an die Bundesregierung: JETZT HANDELN. Die BAG W fordert:

  1. Wohnraum schaffen – Bezahlbarer Wohnraum auch für wohnungslose Menschen: Rund 97 % der akut wohnungslosen Menschen gaben an, dass sie sich eine eigene Wohnung für sich oder die Familie, ein Zimmer in einer WG oder alternative Wohnformen bzw. Unterbringung wünschen. Gleichzeitig ist jedoch bezahlbarer Wohnraum rar, die Zahl neugebauter Sozialwohnungen sowie auch die Gesamtzahl der Sozialwohnungen ist rückläufig (Quelle: Caren Lay).
  2. Rettet das Wohnen – Prävention zur Sicherung von Wohnraum stärken: 73% aller dokumentierten Klient:innen sind akut wohnungslos. Mehr als die Hälfte (52 %) haben die Wohnung aufgrund von Kündigungen (31 %) und Räumungsverfahren (20 %) verloren oder drohen sie zu verlieren. 15 % nannten Zwangsräumung als Grund für den Wohnungsverlust – wegen Schulden (64 %), Eigenbedarf (6 %) oder anderer Probleme (30 %). Der systematische Ausbau präventiver Hilfeangebote ist notwendig: Rund 10 % der Hilfesuchenden sind akut von Wohnungslosigkeit bedroht.
  3. Zugang zum Leben – Gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen: Über 85 % der Klient:innen im DzW sind erwerbslos. Das zeigt das Ausmaß, in dem Menschen in Wohnungsnotfallsituationen vom Arbeitsmarkt ausgegrenzt sind. Drei von zehn Klient:innen leben gänzlich ohne Einkommen und in absoluter Armut.
  4. Würde ist unverhandelbar – Menschenwürdige Unterbringung garantieren: Rund 80 % der dokumentierten Klient:innen haben keinen eigenen Wohnraum. Sie leben bei Familie, Partner:in, Bekannten, Frauenhäusern, Billigpensionen, Zelten, Wohnwagen, Gartenlauben oder anderen prekären Wohnsituationen. Mehr als 10 % suchen Notunterkünfte auf. Oftmals werden aber gar keine solchen Hilfeangebote vorgehalten oder die Standards für eine menschenwürdige Unterkunft werden nicht erfüllt. Wohl auch deshalb lebten 2020 mehr als 15 % der Klient:innen gänzlich ohne jede Unterkunft auf der Straße.
  5. Menschenrecht Gesundheit – Krankenversorgungsschutz und Zugang zur gesundheitlichen Versorgung für alle: Besonders drastisch zeigen sich die Zahlen bei denen, die ohne Unterkunft auf der Straße leben: Nur rund die Hälfte von ihnen hat überhaupt innerhalb der letzten sechs Monate Kontakt zu einem Arzt/einer Ärztin gehabt. Unter allen Klient:innen im DzW gaben nur rund drei Viertel von ihnen an, einen uneingeschränkten Krankenversicherungsschutz zu haben. Bei nicht-deutschen Klient:innen aus dem EU-Ausland beträgt dieser Wert nicht einmal die Hälfte. Es braucht dringend gesicherten Zugang zur Gesundheitsversorgung und –vorsorge für alle Menschen, unabhängig von ihrer Nationalität. Um eine Integration ins das Gesundheitssystem zu ermöglichen, müssen wohnungslosen Menschen Krankenkassenbeitragsschulden und Säumniszuschläge erlassen werden. 

Werena Rosenke, Geschäftsführerin der BAG W, zu den Ergebnissen: „Wohnungsnot und Wohnungslosigkeiten gehören schon jetzt zu den größten Problemen in Deutschland. Und die Situation verschärft sich weiter! Die Zahlen belegen, was wir mit unserer Kampagne „WOHNUNG_LOS!“ ganz konkret von der Politik fordern. Das sind die Maßnahmen, die obdach- und wohnungslosen Menschen und jenen, denen Wohnungslosigkeit droht, wirksam helfen."

Susanne Hahmann, Vorsitzende der BAG W: „Der Nationale Aktionsplan zur Überwindung von Obdach- und Wohnungslosigkeit bis 2030 muss JETZT in Gang gesetzt werden, um den drastischen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen entgegenzuarbeiten. Deshalb ist unsere Kampagne so wichtig! Es geht natürlich um die Versorgung mit menschenwürdigem Wohnraum. Es geht darum, eine Wohnung möglichst erst gar nicht zu verlieren. Und es geht darum, Menschen in schwierigen Lebenslagen nicht zu vergessen, sondern sie am öffentlichen Leben teilhaben zu lassen und ihre gesundheitliche Versorgung zu sichern.“

Den vollständigen Statistikbericht finden Sie hier: Statistikbericht 2020

Zu den 5 „WOHNUNG_LOS!“-Kernforderungen inkl. Konkreter Forderungen an Bund, Länder und Kommunen: WOHNUNG_LOS!

Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an:
Werena Rosenke,
Geschäftsführerin
(030) 284 4537-11
E-Mail: werenarosenke@bagw.de 

 

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