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Was braucht es in der Not? Niedrigschwellige medizinische Versorgung in prekären Lebenssituationen

Mit der ersten Ausgabe der Zeitschrift wohnungslos des Jahres 2025 richten wir das Augenmerk darauf, wie die gesundheitliche Versorgung niedrigschwellig und dauerhaft gelingt.

Dabei geht es um sehr viel mehr als die medizinische Notversorgung von Menschen in prekären Lebenssituationen. Neben diesem unmittelbaren Ziel braucht es eine langfristige und verlässliche Struktur beim Personal, den Räumlichkeiten oder den mobilen Angeboten. Das verlangt eine auskömmliche und dauerhafte Finanzierung.

Gleiches gilt für die Sachmittel, die vielfach spendenfinanziert sind und im Umgang viel Engagement oder Kreativität erfordern, um den Anforderungen annähernd gerecht werden zu können. Niedrigschwelligkeit bedeutet die Behandlung unabhängig vom Versicherungsstatus. Gleichfalls sind das Regelsystem und die niedrigschwellige Versorgung nicht voneinander zu lösen, sondern gehören zusammengedacht. Niedrigschwellige Versorgungsangebote leisten die notwendige Kontaktaufnahme und Vertrauensarbeit, die zur Brücke in die Regelversorgung werden kann.

Mit dem Titel dieser Ausgabe war auch die Fachtagung Gesundheit der BAG W im November 2024 überschrieben. Einzelne Beiträge gehen auf diese Tagung zurück und werden durch weitere themabezogene Texte ergänzt. Sie spannen einen Bogen von der Gesundheitsförderung, über aufsuchende Sozialarbeit in Verbindung mit Krankenpflege, hin zur Bedeutung, den Inhalten und Anforderungen von Niederschwelligkeit und Beiträgen, die sich der pflegerischen Versorgung wohnungsloser Menschen widmen.

Den Anfang macht ein Beitrag zu einer quantitativen Erhebung mit Einrichtungen der Wohnungsnotfallhilfe zur Bedeutung und den Möglichkeiten der Gesundheitsförderung. Die Untersuchungsergebnisse unterstreichen deren Notwendigkeit, zeigen aber auch die begrenzte Umsetzung.

In der darauffolgenden Vorstellung eines frauenspezifischen Projektes des Diakonischen Werkes Mönchengladbach wird der große Mehrwert von aufsuchender Sozialarbeit in Verbindung mit Krankenpflege anschaulich. Die zugehörigen Evaluationsergebnisse sind ein Plädoyer für den spezifischen Ansatz aus niedrigschwelliger Kontaktaufnahme und unmittelbarer Versorgung. So gelingt die wichtige Vertrauensarbeit, die wohnungslose Frauen in ihrer Lebenswelt erreicht und langfristig ermächtigt, den Weg in eigenen Wohnraum zu gehen.

Auch die anschließenden drei kurzen Statements aus Köln, Berlin und Hamburg zur Bedeutung von Niedrigschwelligkeit unterstreichen die hohe Relevanz des Ansatzes, um von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen wirksam zu erreichen. Sie thematisieren, wie voraussetzungsvoll die Arbeit ist, wenn Selbstbestimmung, Partizipation und Teilhabe ernstgenommen werden. Die strategische Zielsetzung muss gleichzeitig sein, die Versorgungsangebote in das gesundheitliche Gesamtsystem einzubinden und als einen regelhaften Teil zu etablieren.

Wie notwendig das ist, zeigt sich auch bei der pflegerischen Versorgung wohnungsloser Menschen. Dass das Thema an Bedeutung gewinnt, machen zwei weitere Beiträge deutlich.

Für Köln werden aktuelle Untersuchungsergebnisse zur bedarfs- und bedürfnisgerechten Versorgung älterer und/oder pflegebedürftiger wohnungsloser Menschen vorgestellt. Die ermittelte Unterversorgung und beschriebenen Handlungsbedarfe sind als allgemeingültig anzunehmen.

Mit dem Münsteraner Modellprojekt Cared.Wende, in Verantwortung der Bischof-Herrmann-Stiftung, werden aktuell Forschungs- und Praxisansätze erarbeitet und erprobt, die zur Verbesserung der (palliativ-)pflegerischen Versorgung von schwer erkrankten und pflegebedürftigen wohnungslosen Menschen beitragen sollen.

Den Themenschwerpunkt beschließen wir mit der aktuellen BAG W-Empfehlung: „Niedrigschwellige medizinische Versorgungsangebote für wohnungslose Menschen im Gesundheitssystem etablieren und finanzieren“. Sie zeigt auf, wie der Zugang zur medizinischen Versorgung möglich ist und formuliert Kriterien und Qualitätsmerkmale für eine niedrigschwellige Arbeit. Mit dieser Empfehlung unterstreichen wir als BAG W das Ziel, die niedrigschwelligen medizinischen Versorgungsangebote als elementaren Bestandteil der Primärversorgungsstrukturen zu etablieren.

Allen Interessierten wünschen wir eine erkenntnisreiche Lektüre. Unser Dank gilt wie stets den Autorinnen und Autoren für die unterstützende Zusammenarbeit.

Joachim Krauß
Redaktionsleitung wohnungslos