Wohnen ist Menschenrecht

Kernforderung 4 - Würde ist unverhandelbar.

Situationsbeschreibung

Situationsbeschreibung

Nach Schätzungen der BAG W leben in Deutschland ca. 45.000 wohnungslose Menschen ganz ohne Unterkunft auf der Straße (2020). Diese Menschen sind im Winter besonders gefährdet: Nach Kenntnis der BAG W sind seit dem Jahr 1991 mindestens 343 wohnungslose Menschen erfroren. Das Winternothilfeangebot ist in vielen Kommunen jedoch noch immer unzureichend. Oft wird überhaupt kein Hilfeangebot vorgehalten oder die Standards für eine menschenwürdige Unterbringung werden nicht erfüllt und die Unterbringungsverpflichtung wird nicht gegenüber allen Menschen gewährt.

Wohnungslose Einzelpersonen und Familien in ordnungsrechtlicher Unterbringung haben oft keinen gesicherten Zugang zu weiterführenden persönlichen Hilfen, die (den Weg zurück) in die eigene Wohnung ebnen. In ordnungsrechtlicher Unterbringung und im System der Notversorgung befinden sich häufig Menschen in besonders schwierigen Lebenslagen, da sie aus vorgelagerten Hilfesystemen oder auch Hilfen nach §§ 67 ff. SGB XII herausgefallen sind. Wohnungslose Menschen verbleiben aufgrund von Erkrankungen und besonderen sozialen Schwierigkeiten oft viele Jahre in ordnungsrechtlicher Unterbringung und verelenden nicht selten dort. Zugewanderten Personen verweigern Kommunen mit Verweis auf deren sozial- und aufenthaltsrechtlichen Status mitunter die ordnungsrechtliche Unterbringung.

Längst nicht alle Städte und Gemeinden kommen ihren Verpflichtungen zur ordnungsrechtlichen Unterbringung nach, sei es, dass sie keine Angebote vorhalten oder ihre Angebote nicht der Menschenwürde gerecht werden.

Während der Corona-Pandemie sind Kommunen neue Wege gegangen, sie verringerten die Belegungsdichte und schufen die Möglichkeit zum ganztägigen Aufenthalt.

Politische Leitziele und Forderungen

Politische Leitziele und Forderungen

Politische Leitziele

  • Für die BAG W hat die Absicherung von eigenem Wohnraum oberste Priorität vor einer ordnungsrechtlichen Unterbringung: Vermeidung von Wohnungslosigkeit ist die beste Hilfe!
  • Kann der eigene Wohnraum nicht gesichert oder trotz präventiver Maßnahmen ein drohender Wohnungsverlust nicht verhindert werden, hat die Ersatzbeschaffung von Wohnraum und/oder die Vermittlung an weiterführende Hilfeangebote, die dem Bedarf entsprechen, im Mittelpunkt der Hilfen zu stehen. Der Kältetod von Wohnungslosen ist zu verhindern.
  • Notversorgung bedeutet für uns eine menschenwürdige Versorgung von Einzelpersonen und Familien – unabhängig von ihrer Nationalität und ihrem sozial- und aufenthaltsrechtlichen Status – mit Unterkunft, Nahrung, Kleidung und medizinischen Angeboten.
  • Besonderen Schutz brauchen zudem Frauen und Familien, vor allem im Hinblick auf Gewalt in jedweder Form. Im Rahmen der Istanbul-Konvention müssen die Lebenslagen wohnungsloser Frauen mit Gewalterfahrung berücksichtigt und entsprechende Angebote vorgehalten werden.

Forderungen

Bund

  • Leitlinien für ein integriertes Notversorgungskonzept inklusive menschenwürdiger Unterbringung entwickeln; Notversorgung muss Unterkunft, Nahrung, Kleidung, medizinische Angebote und niedrigschwelligen Zugang einschließen.
  • Förderprogramme zur Auflösung kommunaler ordnungsrechtlicher Unterkünfte; Ziel ist die Vermittlung der Bewohnenden in Wohnungen.
  • Kommunen bei der Bereitstellung von Hilfen für Zugewanderte in Wohnungsnotfällen fördern und unterstützen, d. h. die kommunale Notversorgung mitfinanzieren.
  • Kommunen bei der Bereitstellung von niedrigschwelligen ambulanten Anlauf- und Beratungsstellen für Frauen und Kinder fördern und unterstützen.

Land

  • Die Innenministerien der Länder als Oberste Aufsichtsbehörden müssen sicherstellen, dass die örtlichen und Kreisordnungsbehörden ihren gesetzlichen Verpflichtungen zur menschenwürdigen Unterbringung bzw. zur Beseitigung von Obdachlosigkeit tatsächlich nachkommen.

Kommune/Landkreis

  • Jede Kommune/jeder Kreis entwickelt ein Integriertes Notversorgungskonzept, denn Notversorgung umfasst nicht nur die ordnungsrechtliche Unterbringung, sondern ein Netz niedrigschwelliger Angebote und Hilfen zur Daseinsvorsorge.
  • Die Notversorgung muss regelhaft mit dem Ziel einer zeitnahen Vermittlung in eigenen Wohnraum bzw. in weiterführende bedarfsgerechte Hilfen erfolgen.
  • Sicherstellung spezieller Winternotprogramme, um den Kältetod wohnungsloser Menschen zu verhindern.
  • Etablierung ordnungsrechtlicher Unterbringung, die in Bezug auf räumliche Ausstattung, Lage, Zugänglichkeit, Sicherheit, Hygiene und personelle Ausstattung die Menschenwürde wahrt, Privatsphäre ermöglicht und vor allem eine möglichst große Durchlässigkeit zum allgemeinen System sozialer Hilfen schafft und somit dazu beiträgt, Wohnungslosigkeit nachhaltig zu beenden.
  • Sicherstellung einer 24/7- Öffnung ordnungsrechtlicher Unterkünfte, damit die Menschen tagsüber in den Unterkünften bleiben können. Diese Anforderungen und Standards müssen für alle Städte und Gemeinden, unabhängig von ihrer Größe, Gültigkeit haben.