Wohnen ist Menschenrecht

Kernforderung 5 - Menschenrecht Gesundheit.

Situationsbeschreibung

Situationsbeschreibung

Der Gesundheitszustand von Menschen in Wohnungsnot und Wohnungslosigkeit ist stark gekennzeichnet durch die erheblichen psychischen und physischen Belastungen, die das Leben ganz ohne Unterkunft auf der Straße, in Notunterkünften, in prekären Mitwohnverhältnissen oder in sonstigen Dauerprovisorien mit sich bringt. Sie sind eine gesundheitlich hochbelastete Bevölkerungsgruppe, die häufiger als die Allgemeinbevölkerung an Mehrfacherkrankungen und unter psychischen Auffälligkeiten oder diagnostizierten psychischen Erkrankungen leidet. Strukturelle Barrieren der Gesundheitsgesetzgebung und des medizinischen Regelsystems erschweren den Zugang zu einer regelhaften medizinischen Versorgung oder verhindern ihn oft gänzlich. Dazu zählt der häufig nicht geklärte Krankenversicherungsstatus, die Zuzahlungen zu Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, zu Krankenhausaufenthalten, zu häuslicher Pflege, zu Krankentransporten und zu Rezepten. Hinzu kommen lebenslagenbedingte Barrieren wie Scham, erhöhtes Misstrauen und/oder Diskriminierungserfahrungen, die einen Arztbesuch verhindern. Im Bereich der Gesundheitsförderung werden Menschen in Wohnungsnot und Wohnungslosigkeit als vulnerable Gruppe kaum berücksichtigt.

Niedrigschwellige medizinische Versorgungsangebote im Bereich der Wohnungsnotfallhilfe schaffen einen Rahmen, der Behandlungsbarrieren abbaut und eine Basisversorgung sichert. Ihr Ziel ist, die Patient:innen in einem Wohnungsnotfall für die Weiterbehandlung in das medizinische Regelsystem zu vermitteln. Die Organisationsformen der medizinischen Angebote sind in ihrer Struktur, aber vor allem in ihrer Finanzierung sehr heterogen. Letztere ist in vielen Fällen nicht regelhaft gesichert, sondern beruht auf Spenden und ehrenamtlichem Einsatz von medizinischen Fachkräften.

Die EU-Binnenmigration sowie die Zunahme staatenloser Menschen und von Menschen aus Drittstaaten in prekären Lebenslagen stellen auch die medizinischen Angebote vor neue Herausforderungen. Der Zugang zur Krankenversicherung ist aufgrund nicht-dokumentierter bzw. fehlender Erwerbstätigkeit und/oder Ausweispapiere nicht möglich. Somit sind die niedrigschwelligen medizinischen Angebote oft die einzigen Anlaufstellen, um medizinische Hilfe zu erhalten.

Politische Leitziele und Forderungen

Politische Leitziele und Forderungen

Politische Leitziele

  • Soll die zunehmende Abkoppelung von Menschen in Wohnungsnot und Wohnungslosigkeit von der Gesundheitsversorgung verhindert werden, bedarf es einer grundsätzlichen Umsteuerung der Gesundheitspolitik auf allen politischen Ebenen, die die besonderen Bedarfslagen wohnungsloser und armer Menschen berücksichtigt. Der Zugang zum Gesundheitssystem muss für alle Menschen unabhängig ihrer Herkunft gewährleistet werden.
  • Zur Sicherstellung einer angemessenen und kontinuierlichen medizinischen Versorgung und Gesundheitsförderung von Menschen in einem Wohnungsnotfall ist die ausreichende und nachhaltige Finanzierung der medizinischen Versorgungsangebote notwendig.
  • Der Leistungsumfang der Krankenversicherung darf nicht durch den Anstieg privat zu finanzierender Zusatzbeiträge ausgehöhlt werden.

Forderungen

Bund

  • Personen mit Rechtsanspruch auf SGB II- oder SGB XII-Leistungen von Zuzahlungen bei Medikamenten, Heil- und Hilfsmitteln befreien.
  • Ausgleichende Härtefallregelungen für Menschen mit niedrigem Einkommen für den Kauf notwendiger, aber nicht verschreibungspflichtiger Medikamente.
  • Festbeträge für Zahnprothesen und Sehhilfen, die die Krankenkassen in vollem Umfang übernehmen.
  • Mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Vereinbarungen treffen, die den kassenärztlichen Sicherstellungsauftrag auch in Bezug auf wohnungslose Patient:innen absichert.
  • Ausreichende finanzielle Absicherung der medizinischen Versorgungsangebote für wohnungslose Menschen, hierzu einen Fonds auf Bundesebene (mit Gesetzlicher Krankenversicherung und Kassenärztlicher Bundesvereinigung) einrichten, der eine anteilige Finanzierung der Projekte ermöglicht.
  • Menschen in Wohnungsnot und Wohnungslosigkeit als eine vulnerable Gruppe im Bereich der Gesundheitsförderung berücksichtigen.
  • Wohnungslosen Menschen Krankenkassenbeitragsschulden und Säumniszuschläge erlassen.

Land

  • Mit den Gesetzlichen Krankenkassen und den Kassenärztlichen Vereinigungen Versorgungsregionen definieren und dafür sorgen, dass der Sicherstellungsauftrag auch tatsächlich erfüllt wird.
  • In die Wohnungsnotfallförderprogramme eine Initiativförderung für medizinische Angebote aufnehmen, den Ausbau von Clearingstellen zur Klärung des Versicherungsschutzes weiter fördern.

Kommune/Landkreis

  • Aufsuchende medizinische Versorgung gehört zwingend in ein kommunales Notversorgungskonzept.
  • Clearingstellen zur Klärung des Krankenversicherungsschutzes einrichten.
  • Niedrigschwellige Hilfen bereitstellen, wenn der Zugang zum Regelsystem für Menschen in einem Wohnungsnotfall durch strukturelle bzw. individuelle Barrieren erschwert ist, dabei die Rückführung in das Regelsystem anstreben.