Wohnen ist Menschenrecht
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Zugewanderte aus der Europäischen Union – prekäre Lebenslagen und Unterstützungsansätze

Die erste Ausgabe der Zeitschrift wohnungslos des Jahres 2022 erscheint zu einem Zeitpunkt, an dem die Gewissheit auf Frieden in Europa zerstoben ist. Damit sind auch die Hoffnungen auf eine Normalität in postpandemischer Zeit hinfällig.

Die Wohnungsnotfallhilfen sind als letztes Sicherungsnetz krisenerprobt, was die Dienste und Einrichtungen in der noch immer nicht überwundenen Coronapandemie bei der Anpassung ihrer Angebote eindrücklich gezeigt haben. Welche mittel- und langfristigen Folgen der Krieg in unserer unmittelbaren Nachbarschaft auf unsere Gesellschaft und die Menschen in prekären Lebenslagen haben wird, lässt sich nicht abschätzen, aber es liegt auf der Hand, dass sich die Auswirkungen auch in den Wohnungsnotfallhilfen zeigen werden.

Sowohl die Pandemie als auch die Folgen der Kriege u.a. in Syrien und in der Ukraine führen uns die Anpassungsbedarfe in der nationalen Gesetzgebung und bei den nationalstaatlichen Strukturen vor Augen, um adäquat humanitär, sozial und integrationspolitisch agieren zu können.

Der Themenschwerpunkt der vorliegenden Ausgabe behandelt mit den Lebenslagen von EU-Zugewanderten in Deutschland die sozialen Folgen einer supranationalen Entwicklung bis auf die lokale Ebene. Sie sind die Begleiterscheinung eines EU-Erweiterungsprozesses, auf den die föderalen Strukturen genauso unzureichend vorbereiten waren, wie die nationale Sozialgesetzgebung. Diese setzte durch die verschiedenen Gesetzesänderungen der letzten Jahre eher auf Abschottung anstelle einer sozial- und integrationspolitischen Perspektive. Die Folgen sind seit über zehn Jahren in den Wohnungsnotfallhilfen vielfach belegte und alltägliche Realität. Diese veranschaulicht Stefanie Beckmann im ersten Beitrag anhand von Umfrageergebnissen für die Stadt Münster, wobei sie auch Lösungsansätze vorstellt. Daran schließt sich die Vorstellung von Ana Maria Isdraila zur Arbeit von Clearingstellen als unerlässlicher Baustein zur Gewährleistung der Gesundheitsversorgung an. Weiterhin stellt der Förderverein Roma e. V. aus Frankfurt seine Arbeit vor und gibt Einblick in die kommunale Praxis einer westdeutschen Großstadt im Umgang mit der Wohnungslosigkeit zugewanderter Roma. Kommunales Handeln thematisiert auch Martin Kositza im Praxisteil unter dem Titel (De-) Kriminalisierung von Wohnungslosigkeit und extremer Armut. Anhand einer Recherche und Analyse Dr. Manfred Hammels zu möglichen Verboten von Betteln, Schlafen, Essen oder persönlicher Hygiene im öffentlichen Raum in 74 deutschen (Polizei-)Verordnungen hat die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe bei den Vereinten Nationen eine entsprechende Stellungnahme eingereicht, die hiermit vorgestellt wird. Dr. Hammel diskutiert wiederum neue Rechtsprechung bezüglich obdachloser EU-Bürger:innen im Rahmen von SGB II und SGB XII.

Außerhalb des Themenschwerpunktes erläutert Michael Braun die Auswirkungen des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes (KJSG) auf die Hilfen für junge volljährige Menschen in besonderen sozialen Schwierigkeiten und diskutiert die Konsequenzen für die Wohnungsnotfallhilfen. Bitte beachten Sie den folgenden Aufruf für unsere diesjährige Kampagne und die Hinweise auf die folgenden Fachtagungen der BAG W im Magazinteil.

Joachim Krauß

Schriftleitung wohnungslos